Feierliche Eröffnung der Wanderausstellung „Demokratie als Lebensform“
Das Theodor-Heuss-Gymnasium hat derzeit allen Grund zum Feiern und tat dies kürzlich auch mit vielen Gästen, die ihr Erleben und verschiedene Anekdoten rund um die Namensgebung und die Geschichte der Schule in informativen und kurzweiligen Grußworten zum Besten gaben. Anlässlich der Benennung der Schule als Theodor-Heuss-Gymnasium im Jahre 1962 wurde als Schluss- und Höhepunkt des Jubiläumsschuljahrs eine interaktive Ausstellung eröffnet, die nun in der Aula der Schule aufgebaut ist und der von Heuss propagierten und vorgelebten „Demokratie als Lebensform“ nachspürt.
Die Ausstellung rund um das Leben und Wirken des ersten Bundespräsidenten und seiner Ehefrau Elly Heuss-Knapp wurde von der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus in Stuttgart erstellt und konnte in der Schule dank der freundlichen finanziellen Unterstützung der Curt-Mast-Jägermeister-Stiftung realisiert werden.
Während der Eröffnungsfeier am 21. April traten die unterschiedlichsten Redner*innen ans Pult und ließen für die zahlreichen geladenen Gäste ein facettenreiches Mosaik mit vielfältigen persönlichen und teilweise überraschenden Brückenschlägen zum Namensgeber des Theodor-Heuss-Gymnasiums entstehen. Auch szenische Beiträge bereicherten das Veranstaltungsprogramm: So zeigten zwei Kurse des 12. Jahrgangs eindrucksvolle Szenen zu den Themen „Freiheit“ sowie „Sicherheit und Schutz“, die sie im Fach Darstellendes Spiel unter der Leitung ihrer Lehrkräfte Katja Rollinger und Christian Bilges im Rahmen des Projekts „HUMAN“ erarbeitet hatten.
Als die Schulgemeinschaft des Wolfenbütteler „Gymnasiums für Jungen“ sich vor mehr als 60 Jahren im Zuge des geplanten Umzugs in den modernen Neubau an der Karl-von-Hörsten-Straße nach einem Namenspatron umsah, habe man zunächst an lokale Persönlichkeiten wie Lessing oder Raabe gedacht. Da deren Namen jedoch bereits an andere Wolfenbütteler Schulen vergeben gewesen seien, war niemand anders gefragt als der erste deutsche Bundespräsident selbst. Oberstudiendirektor Doktor Kurt Kükelhahn habe ein zweiseitiges maschinegetipptes Anschreiben an den ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss geschickt, in dem er diesen im Namen seiner damals 400 Schüler höflichst darum bat, der Schule, die er leitete, seinen Namen zur Verfügung zu stellen, wusste Schulleiterin Sandra Feuge in ihren Begrüßungsworten zu berichten. Die Werte Humanität und Freiheit, Selbstverwirklichung und zweckfreies geistiges Streben, die eng mit Theodor Heuss verbunden seien, haben damals den Ausschlag für die Namenswahl gegeben und sollten von nun an als erzieherischer Auftrag der Schule „Profil und Richtung“ geben. Auch heute noch seien die von Heuss vertretenen Maximen von ungebrochener Aktualität und die Schulgemeinschaft könne sich glücklich schätzen, dass Dr. Kükelhahn, seine Kollegen und Schüler damals so einen klugen und weitsichtigen Namensgeber ausgewählt hätten, so Sandra Feuge.
Dieter Kertscher, Abiturjahrgang 1965, hatte als Schüler den Umzug der Schule damals hautnah miterlebt und aktiv mit seinen Mitschülern daran teilgenommen. Stühle schleppen, das war der Job der Jungen aus der Mittelstufe. Schwerere Utensilien waren den älteren Schülern vorbehalten. Kertscher selbst aber hatte noch einen weiteren Anteil an der Geschichte der Namenstaufe. Als Dank für die Erlaubnis, den Namen des Bundespräsidenten als Schulnamen zu nutzen, habe man ein passendes Geschenk gesucht, berichtete Kertscher, und die Schulleitung habe sich für einen von ihm im Kunst- bzw. Werkunterricht aus Birnenholz geschnitzten Bären entschieden. Die Idee, sein ihm ans Herz gewachsenes Produkt mühsamer Arbeit einfach so dem Bundespräsidenten zu schenken, gefiel Kertscher aber gar nicht. „Nein!“, lautete daher – entgegen seinem „üblichen Naturell“, so Kertscher augenzwinkernd – seine klare Antwort auf dieses Ansinnen, sodass der sichtlich überraschte Schulleiter den Jungen ein paar Tage vom Unterricht freistellte, damit dieser einen zweiten Bären schnitzen konnte.
Stadtrat Thorsten Drahn überbrachte die Grußworte der Stadt Wolfenbüttel als Schulträgerin und erwies sich dabei nicht nur als Kenner von Heuss‘ politischem Wirken. Auch aus der Biografie des im württembergischen Brackenheim geborenen Staatsmanns wusste er den Zuhörer*innen in der THG-Aula einiges Anekdotisches und Menschliches zu berichten.
Er beglückwünschte die Schulgemeinschaft des THG zu ihrem Namensgeber, dessen vorbildhafte Werte er in vielen Formulierungen des aktuellen Leitbilds der Schule wiederfinde. Das Aroma des „Brackenheimer Zweifelberg“ – Heuss‘ erklärtem Lieblingswein, den der für seine herausragende Formulierungskunst bekannte Bundespräsident nach eigenen Aussagen beim Verfassen seiner Reden gerne genoss –zeichne sich durch die folgenden Charakteristika aus: milde, elegant und gleichzeitig ausdrucksstark. Eigenschaften eines guten Rotweins, die nach Drahns Einschätzung auch zum heutigen THG sehr gut passten.
Die ehemalige stellvertretende Schulleiterin Sigrid Rönneke konnte in ihrem Beitrag auf eine besonders lange Amtszeit am Theodor-Heuss-Gymnasium, dessen Namensgeber von ihr liebevoll „Theo“ genannt wird, zurückblicken. Es waren zwar nicht 60, aber immerhin 40 Jahre, die sie nach einem nach ihrer Beschreibung etwas „holprigen Anfang“ dort unterrichtete. Sie richtete ihren Blick besonders auf das Ausstellungsthema „Demokratie als Lebensform“. Den nicht ganz einfachen Start 1981 an der Schule erklärte sie so: „Das Lehrerkollegium und natürlich auch die Schulleitung waren sehr männlich geprägt. Anders gesagt, es gab nur wenige weibliche Lehrkräfte, und mein Eindruck war, das war aus Sicht der Schulleitung auch gut so.“ Sie wurde wegen ihres Faches Chemie eingestellt, unterrichtete später aber auch das Fach Politik-Wirtschaft. Liberale Werte zu vertreten, war ihr immer wichtig. Ein Zitat von „Theo“ begleitete sie auf ihrem Weg an der Schule und machte sie sich bei der Arbeit mit den jungen Menschen zu eigen: „Ich suche den wagenden und den sich selbst behauptenden Menschen, der zugleich in der breiten Verantwortung und Gebundenheit steht.“ Sie schloss ihre Worte mit einem optimistischen Blick in die Zukunft der Schule, der sie sich noch heute verbunden fühle: Sie sieht das THG auf einem guten Weg, mit einem Gebäude in strahlendem „liberalem Gelb“ und einem „deutlich jüngeren und weiblicheren“ Kollegium als zu ihrem Dienstantritt.
Dr. Dirk Hahn, Lehrkraft für Chemie und Biologie am THG und Leiter der Bläser-AG, illustrierte eine beeindruckend enge Verknüpfung von Familien- und Schulgeschichte und berichtete, wie ihn und seine Familie die Musik über Generationen mit dem THG verbinde. Bereits sein Vater habe am THG unterrichtet und nun seien auch seine beiden Kinder Schülerin bzw. Schüler der Schule. Anhand zahlreicher Fotos zeichnete er die Entwicklung der THG-Bläser-AG als Teil seiner eigenen persönlichen und beruflichen Biografie nach und hatte zur musikalischen Verdeutlichung nicht nur die Bläser-AG mitgebracht, die drei Stücke aus ihrem aktuellen Repertoire gekonnt darbot. Gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Tochter Janne bildete Dr. Hahn ein Drei-Generationen-Quartett, das mit der „Ode an die Freude“ eine feierliche Stimmung in der Aula entstehen ließ.
Henner Wesemann, der aktuell am THG die Fächer Englisch und Sport unterrichtet und Vorsitzender des Schulpersonalrats ist, hatte eine Tasse mitgebracht und stellte die dort abgedruckten Worte in den Mittelpunkt seines Nachsinnens: „Ich bin Lehrer. Was ist deine Superkraft?“ Dass es in seinem Berufsstand nicht ganz so simpel und „Superman-like“ zugeht, wurde schnell klar. Neutralität sei wichtig im Bildungsauftrag. Erziehen, bilden, inkludieren, integrieren, digitalisieren, dies seien aktuelle Ansprüche, die es umzusetzen gelte. Zentral sah er die Rolle von Lehrkräften als Menschen, die anderen eine zweite Chance einräumen, Menschen schätzen, die Demokratie schützen und vor allem immer wieder neu auf ihre Schüler*innen schauen. Dies machte er anhand eines Zitates von George Bernard Shaw anschaulich: „Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.“ So beendete er seine Worte „voller Ernst, Überzeugung und auch Stolz“ auf seinen wichtigen und lohnenden Beruf mit den Worten auf der Tasse: „Ich bin Lehrer. Was ist deine Superkraft?“
Schülerinnen der Klasse 9a, die den Rahmen für die Eröffnungsveranstaltung mit Unterstützung ihrer Politik-Wirtschaft-Lehrerin Konstanze Weber und der Koordinatorin Ana Lena Hillmer vorbereitet hatte, griffen im letzten Redebeitrag der Veranstaltung verschiedene Zitate von Theodor Heuss auf und bezogen sie auf ihren aktuellen Lebenskontext: „Gott verhüte, dass ich ein ,ehrgeiziger’ Vater werde, der seine Liebe nach den Leistungen der Kinder misst.“ Von Vater- bzw. Mutterschaft seien sie selbst zwar noch weit entfernt, aber dennoch passe dieses Zitat, das Heuss nach der Recherche der Schülerinnen vor 116 Jahren verfasst habe, noch immer zu ihrer Lebenswelt. „Unsere Gesellschaft ist meist nur noch auf Leistung aus, immer schneller, immer höher. Und auch in der Schule bleiben wir davon nicht verschont. Denn man ist doch nur ein guter Schüler, wenn die Noten auch stimmen, oder nicht? Glücklicherweise merke ich, dass unsere Gesellschaft davon immer mehr Abstand gewinnen kann. Und so wird in einer Gruppenarbeit zum Beispiel gefragt: Was kannst du gut? Wo möchtest du dich einbringen und wie, denkst du, können deine Stärken uns hier weiterbringen?“, berichtete eine Schülerin der Klasse aus ihrem Schulalltag.
Sie und ihre Mitstreiterinnen auf der Aula-Bühne luden am Ende der Veranstaltung die Gäste ein, mit Hilfe der Wanderausstellung und deren Ton- und Filmdokumenten und Infotexten mehr über Theodor Heuss zu erfahren und sich anschließend am von der Klasse 9a zubereiteten Buffet zu stärken.
Die Ausstellung ist in der Aula der Schule noch bis Ende Juni aufgebaut und dort nicht nur für Schüler*innen des THG im Rahmen des Unterrichts zugänglich, sondern nach Voranmeldung auch für Schüler*innen anderer weiterführender Schulen mit ihren Lehrkräften. Die Schule ist stolz darauf, an zwei Tagen das interessante Angebot der Ausstellung rund um ihren Namensgeber auch für das Wolfenbütteler Publikum öffnen zu können: Am 5. Mai von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr sowie am 18. Juni von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr ist für alle interessierten Wolfenbüttler*innen ein kostenloser Besuch der Ausstellung möglich, wobei sich die hoffentlich zahlreichen Gäste am 5. Mai mit dem ehemaligen Schulleiter Herrn Rudolf Ordon und am 18. Juni mit Herrn Dieter Kertscher, einem THG-Abiturienten des Jahrgangs 1965, auf die Begegnung mit zwei ganz besonderen Gastgebern freuen dürfen. Für eine Stärkung mit Kaffee und Kuchen ist gesorgt.