Marc Hoffmann warnt vor Insektensterben

In der Schülerschaft des THG finden sich neben zahlreichen sehr erfolgreichen Talenten auch Schüler mit ungewöhnlichen, aber sehr bemerkenswerten Hobbys. Einer von ihnen ist Marc Hoffmann aus dem 12. Jahrgang. Marc ist Entomologe, also ein Insektenkundler.
Spricht man mit Marc über das Thema Insekten, wird man gleich von seinem schier unglaublichen Wissen in den Bann gezogen.
Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien hielt Marc einen Vortrag im Rahmen der Veranstaltungen der Fachgruppe Werte und Normen mit dem Ziel, seine Mitschülerinnen und Mitschüler für das Phänomen des Insektensterbens zu sensibilisieren – ein Thema, das nebenbei hochaktuell und medial überaus präsent ist. Zudem bildet es den Rahmen für ein Umweltprojekt unserer Schule: Mit der Anlage von Blühflächen auf dem Schulgelände möchten wir am THG einen Beitrag für den Erhalt der Vielfalt der Insekten liefern. Nicht zuletzt deshalb sind wir Marc Hoffmann sehr dankbar, dass auch die Schülerinnen und Schüler, die seinem Vortrag nicht beiwohnen konnten, im Folgenden die Kernelemente noch einmal nachlesen können. Denn auch wenn wir nicht alle Hobby-Entomologen sind, das Insektensterben geht uns alle an.
Warum uns das Insektensterben alle betrifft – und was wir dagegen tun können
ein Artikel von Marc Hoffmann
„Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“
Auch wenn es umstritten ist, ob das Jahrhundertgenie Albert Einstein diesen Satz wirklich einmal so gesagt hat, ist er heute für uns wichtiger denn je. Studien, die den globalen Insektenschwund untersuchen, werden in den Medien in zunehmender Häufigkeit thematisiert.
Die wohl erschreckendste von ihnen ist eine häufig als „Krefelder Studie“ betitelte Veröffentlichung im Wissenschaftsjournal PLOS ONE, in der zahlreiche ehrenamtliche Insektenkundevereine aus Deutschland das Insektensterben in Naturschutzgebieten Deutschlands durch gezieltes Fallenstellen über 27 Jahre dokumentiert haben. Ihr dramatischer Befund: Von 1989 bis 2015 hat die Biomasse der Insekten um 75 % abgenommen.
Diese Zahlen sollten nicht nur Tierliebhaber und Naturfreunde wachrütteln. Insekten sind nicht nur für diejenigen unverzichtbar, die sich für sie interessieren oder die gerne Bienenhonig essen! Wir verdanken ihnen als fleißige Bestäuber unserer Nutzpflanzen fast jedes Nahrungsmittel auf unseren Tellern, vom Apfel bis zum Rindersteak (denn auch angebautes Futtergetreide muss bestäubt werden).
Auch wenn häufig nur vom Bienensterben gesprochen wird und die meisten Menschen dabei nur an die domestizierte Honigbiene denken, betrifft der Schwund auch Wildbienenarten und alle anderen Insektengruppen. Und jedes Insekt, von der kleinsten parasitären Schlupfwespe bis hin zum farbenfrohen Admiralfalter, ist wichtig, um das komplexe ökologische Gleichgewicht aufrecht zu erhalten.
Der Roman „Die Geschichte der Bienen“ von der schwedischen Autorin Maja Lunde malt in diesem Zusammenhang ein sehr dystopisches Zukunftsszenario: Im Jahr 2098 sind die Insekten global nahezu ausgestorben und Nutzpflanzen werden nur noch mit einem Pinsel von Leiharbeitern bestäubt. Durch die resultierende Nahrungsknappheit ist die Weltbevölkerung stark zurückgegangen und viele der heute hochentwickelten Industriestaaten sind zusammengebrochen.
Wen aber kann man nun für den weltweiten Rückgang der Insektenbestände verantwortlich machen? Gerade im Zusammenhang mit der Honigbiene scheint es einfach, Bienenschädlinge als Sündenbock heranzuziehen. So ist vor allem die berüchtigte Varroa-Milbe, die die Körperflüssigkeit der Bienen aussaugt und sie schwächt, für den Großteil der Bevölkerung lange der Bösewicht und Verursacher des Bienensterbens gewesen, doch auch sie ist nur ein Lebewesen, das unter normalen Umständen nicht zu einer Masseninvasion neigt.
Die wahren Gründe des Insektenschwundes sehen Experten aktuell eher in beunruhigenden Tendenzen der Landwirtschaft. Neben der Veränderung des Landschaftsbildes, durch die die Insekten nicht mehr genug unterschiedliche Nahrungspflanzen finden, sind es vor allem moderne Pestizide, die den nützlichen Sechsbeinern zu schaffen machen. Eine Gruppe unter ihnen ist besonders gefährlich: Die sogenannten Neonikotinoide, die hochpotente Nervengifte sind, sollen eigentlich nur Ernteschädlinge wie Blattläuse töten, wirken sich jedoch auch sehr stark auf das Nervensystem der Nützlinge, die sie aufnehmen, aus. Sie verlieren die Orientierung, vernachlässigen ihren Nachwuchs und sterben häufig an den Folgen. Diese Insektizide sind deshalb in einigen Ländern wie Frankreich bereits verboten worden, in Deutschland jedoch tut sich die Politik bei der Eingrenzung ihrer Verwendung noch schwer.
Auch gegen die Landwirte, die zu diesen Mitteln greifen, kann man fairerweise nicht wirklich protestieren, denn sie haben zum Teil keine andere Möglichkeit, den steigenden Bedarf der modernen Konsumgesellschaft zu decken! Vor allem der erhöhte Verzehr von Fleisch, für dessen Herstellung deutlich mehr Ackerfläche benötigt wird als für dieselbe Menge pflanzlicher Grundnahrungsmittel, macht es vielen Bauern fast unmöglich, mit umweltschonenderen Methoden zu produzieren.
Was also kann man tun, um dem weltweiten Insektensterben entgegenzuwirken?
Neben der Reduzierung des Fleischkonsums und dem Unterstützen regionaler, ökologischer Hersteller gibt es viele Möglichkeiten, den eigenen Garten insektenfreundlicher zu gestalten. Die leichteste Maßnahme ist es hier, auf einem Teil der Fläche „Unkraut“-Pflanzen, die für viele Insekten die Lebensgrundlage darstellen, frei wachsen zu lassen oder spezielle Blumenmischungen mit bei Blütenbesuchern besonders beliebten Pflanzenarten auszusäen, die man z.B. im Baumarkt kaufen kann. Wer etwas mehr Zeit investieren will, kann den Sechsbeinern auch mit einem gekauften oder selbstgebauten Insektenhotel ideale Nistmöglichkeiten bieten oder sogar ein eigenes Bienenvolk pflegen und so als Hobby-Imker tätig werden. Zu beiden Lösungen gibt es umfassende Informationen in Fachbüchern und im Internet.
Als langjähriger Insektenfreund kann ich sagen, dass es sich wirklich lohnt, sich etwas näher mit der Lebensweise und den Eigenheiten der Insekten, die für uns so überlebensnotwendig sind, zu befassen!
In der folgen Bildergalerie ist zu sehen wie Schüler Lebensraum für Insekten schaffen: Mit der Anlage von Blühflächen, wie hier auf dem ehemaligen Beachvolleyball-Feld, versuchen wir am THG einen Beitrag für den Erhalt von Bienen, Hummeln und Co zu leisten. Dazu wurde im Herbst letzten Jahres das Feld von Unkräutern befreit und eine spezielle Saatgutmischung ausgebracht - hoffentlich mit einem blütenreichen Ertrag im kommenden Frühjahr. Nicht nur unsere THG-Bienen würden sich freuen.