Neuigkeiten

MUN-SH: Simulation der Vereinten Nationen

Ein Erfahrungsbericht von Nikola Rühe (Jg. 12)

Du wolltest schon immer mal Diplomat oder Pressevertreter sein? Du träumst davon, bei wichtigen weltpolitischen Entscheidungen mit am Tisch zu sitzen? Dann bist du bei MUN-SH genau richtig!

Nein, das ist jetzt keine Werbebroschüre, sondern eher ein Erfahrungsbericht. Ich war bei der diesjährigen Simulation der Vereinten Nationen dabei und habe als Delegierte Malis das Land im Wirtschafts- und Sozialrat vertreten. Bei MUN-SH (Model United Nations Schleswig-Holstein) handelt es sich um ein politisches Planspiel, bei dem (normalerweise, wenn kein Corona wäre) Schüler aus ganz Norddeutschland zum Landtag in Kiel reisen, um dort für vier Tage in die Rolle eines Delegierten, einer NGO (eines Vertreters einer Nichtregierungsorganisation wie z. B. Greenpeace) oder Teil der Presse zu sein.

Es handelt sich um sehr realistische Simulationen mit einem Dresscode - ja auch zuhause vor dem Bildschirm ???? - und einer Geschäftsordnung sowie einem Ablauf der Sitzungen, der dem der UN entspricht. Das bedeutet viel Arbeit, denn bereits vor der Konferenz heißt es, Positionspapiere schreiben, Arbeitspapiere verfassen und sich genauestens über das eigene Land bzw. die NGO informieren. Und bevor also überhaupt der Seminartag angefangen hat, wo man als Vorbereitung auf die Konferenz Diplomatieworkshops besucht oder in den Simulationen der Simulationen unabhängig von den späteren Themen der Konferenz ein wenig üben kann, sitzt man so bereits lange Zeit vor dem Bildschirm.

Am Anfang ist das Ganze wirklich sehr viel Input, denn wohl die wenigsten von uns haben schon mal versucht, Singapur zu erklären, warum Mali denn nun unbedingt den Einsatz von Kindersoldaten unterstützt. Auch wenn mir Saudi-Arabien zur Seite sprang, wofür ich zu größtem Dank verpflichtet bin. Tja, so ist das, wenn man einen Staat vertritt, der auf Menschenrechte pfeift. Aber gut, da muss man eben kreativ in der Argumentation sein und zum Glück ist man ja nicht das einzige Land, das diese fragwürdige Einstellung hat. Aber auch das „ich“ und „wir“ sollte man sich schnellstens abgewöhnen, denn nun spricht man im Auftrag seines Landes und von sich selbst in der dritten Person Singular. Eine kleine Kostprobe: „Auch die Delegierte Malis möchte das Bestreben der Vereinigten Staaten zu mehr…..“ Ja, da fällt mir gerade nicht wirklich viel ein, denn viele Überschneidungspunkte gab es in den Positionen der beiden Länder eigentlich nicht. Man muss es mögen, zur Hochform der rhetorischen Ergüsse aufzulaufen und sich „hochtrabend“ auszudrücken. Und ich kann definitiv sagen, dass nach 6 Stunden das auch wirklich sehr nervig sein kann.

Aber kommen wir auf den Inhalt der Simulation zurück. Der Wirtschafts- und Sozialrat hatte dieses Jahr drei Themen und zwar „Korruption als Entwicklungshemmnis“, „Nachhaltiger Umgang mit der Ressource Sand“ und „Privatisierung menschenrechtssichernder Infrastruktur“. Dazu hat das Orga-Team bereits Einführungstexte zum Thema verfasst und weiterführende Literatur verlinkt. Dann beginnt man mit dem Einarbeiten in die Thematik und verfasst anschließend ein Positionspapier (300-500 Wörter), in dem der Standpunkt des eigenen Landes deutlich wird. Zusätzlich muss ein Arbeitspapier zu einem beliebigen Thema formuliert werden, das wie ein Resolutionsentwurf geschrieben ist. Es gibt einige Formalia zu beachten, aber das Handbuch nimmt einen da sehr gut an die Hand und begleitet einen auf dem Weg zu den fertigen Papieren. Abschließend überprüft ein Experte eure Papiere und gibt euch das Ok oder Verbesserungsvorschläge. Dann geht es auch schon los mit der Konferenz.

 

Zum Glück hat man dann noch eine Woche Zeit, um sich ggf. noch einmal intensiv vorzubereiten und die Tipps aus den Vorbereitungstreffen umzusetzen. Dann folgt die Eröffnungsveranstaltung, wo Ihre Exzellenz die Generalsekretärin eine Rede hält und die Konferenz offiziell eröffnet. Am Freitag geht es um 9 Uhr los mit einer Begrüßung und dann findet man sich in den Zoom-Räumen des jeweiligen Gremiums ein. Der Vorsitz stellt sich vor und erklärt noch einmal das grundlegende Prozedere und was alles beachtet werden muss sowie die Arbeit mit MUNity. Und ja, bei einer rein digitalen Konferenz kann man sich schon auf die ersten technischen Probleme einstellen.

Dann trifft man sich zuerst in den UN-Regionalgruppen und kann dort schon erste Verbündete für die eigene Position finden. Als Delegierte Malis war ich in der Regionalgruppe Afrika und wir haben dort schon einmal grundlegende Forderungen festgehalten, die wir in der Resolution später verankern wollen. Das waren beispielsweise bei Korruption die zwingende Unterstützung der Staaten des globalen Südens mit finanziellen Mitteln, um eigene Antikorruptionsbehörden aufbauen zu können.

Die Resolution ist das Ziel, welches man zu jedem Tagesordnungspunkt verfolgt. Es handelt sich hier um die Ergebnisse von Aussprachen der UN-Organe, die Forderungen und Empfehlungen beinhalten und im Falle des Wirtschafts- und Sozialrates für die Staaten nicht völkerrechtlich bindend sind. Zuerst haben wir dann begonnen mit informellen Sitzungen, für die ein Delegierter einen Antrag stellen muss. Diese geben die Möglichkeit einer zwangloseren Unterhaltung, wo der Vorsitz nicht die Debatte leitet und um etwas zu sagen, muss man sich nicht auf die Redeliste setzen lassen. Sie eignen sich besonders gut, um in kleineren Gruppen an Arbeitspapieren zu arbeiten, die später zu Resolutionsentwürfen werden. Diese Gespräche sind nicht unbedingt an das korrekte Verhalten auf dem diplomatischen Parkett angewiesen und man kann freier sprechen. Hier darf man auch mal die erste Person Singular verwenden, ohne einen Rüffel vom Vorsitz zu kassieren. Aber es führt auch dazu, wenn 15 Leute unterschiedlicher Meinung sind, dass viel durcheinander geredet wird und nicht unbedingt jedem zugehört wird. Trotzdem macht es Spaß, sich so anzuhören, wie diskutiert wird und Argumentationen anderer Staaten ausgehebelt werden.

Die UN möchte gerne im Konsens entscheiden, aber wenn dies nicht möglich ist, dann entscheidet auch hier je nach Fall eine einfache oder die Zwei-Drittel Mehrheit. Deshalb geht es auch immer darum, Mehrheiten zu finden und die eigenen Anliegen geschickt und überzeugend zu präsentieren. Die Interessen der Staaten sind immer sehr individuell und es geht darum, einen möglichst großen gemeinsamen Nenner zu finden und gemeinsame Schritte festzulegen.

Aber nicht jedes Land gibt sich damit zufrieden, wenn eine von ihnen vorgeschlagene Änderung keine Mehrheit findet. Deshalb ist der Zeitaufwand sehr groß, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen und nach der Teilnahme habe ich erst so richtig verstanden, warum manche politischen Entscheidungen so ewig dauern. Es gibt Passagen, in denen es langweilig ist, weil zum Beispiel Großbritannien immer noch nicht einsehen möchte, dass die große Mehrheit der anderen Staaten nicht den Operator „empfiehlt“, sondern den Operator „fordert“ bevorzugt. Hier handelt es sich jedoch nur um Ausnahmen, denn eigentlich sind alle Delegierten dazu aufgefordert, das Sitzungsgeschehen nicht unnötig aufzuhalten.

Wir waren das gesamte Wochenende beschäftigt und haben es geschafft, eine Resolution zu verabschieden. Darüber haben wir uns alle sehr gefreut und auch wenn es kurz vor knapp war, waren wir alle danach in Partystimmung, weil sich die harte Arbeit gelohnt hat.

Ich möchte hier nichts beschönigen, denn es ist wirklich ein bisschen Arbeit, wenn man bei einer MUN mitmacht. Es bedeutet aber auch, dass man das Gefühl hat, Weltpolitik mitzugestalten, da die Simulationen wirklich sehr realistisch sind. Man arbeitet sich in Themen ein, die einen interessieren, denn es stehen mit den unterschiedlichen Gremien genügend zur Verfügung. Man ist für ein paar Tage Diplomat, Pressevertreter oder Mitglied einer NGO und es geht irgendwann in Fleisch und Blut über, entsprechend zu reden und sich zu verhalten. Es gibt einen super Support bei jeder Art von Problem, und bereits im Vorfeld hast du Kontakt zu deinem Vorsitz, der dich bei Fragen zum Thema unterstützen kann, und auch während der Sitzungen gibt es eine akademische Leitung, die dich fachkundig berät und dir zur Seite steht.

Ich kann MUN-SH für alle Rhetorik-Fans und alle, die sich für Politik interessieren und gerne global etwas bewegen wollen, empfehlen. Auch alle, die mit dem Gedanken spielen, Journalist zu werden, können sich bei der Konferenzpresse austoben. Und auch alle anderen, die Interesse haben, sollten sich anmelden, denn es gibt noch genügend Plätze zu besetzen bei der nächsten Simulation. Die nächste Möglichkeit teilzunehmen ist schon vom 13. – 17. Mai an der MUN-BW. Und auch an alle Lehrer, ganze Schulklassen können auch teilnehmen und es gibt auch die Möglichkeit, kleinere Simulationen an der Schule durchzuführen. Vielleicht wäre das ja was für die Zeit nach Corona? MUN-SH ist auch auf Instagram aktiv und guckt doch einfach mal vorbei @munsh_dmun.